IMA News · 14.08.20

Mit Goretex-Mentalität durch die Krise

Wer in Zeiten von Corona optimistisch bleibt, kann Unangenehmes eher an sich abperlen lassen und schützt dadurch auch das eigene Gehirn.

Der Sozialforscher Prof. Dr. Jens Weidner ist ein unverbesserlicher Optimist. Vor allem bei negativen Einflüssen sei positives Denken wichtig, sagt er. Diese These wird er am 12. November dieses Jahres auf dem Kongress Innovatives Management vertiefen. Hier liefert Weidner bereits einen Ausblick.

Auf den ersten Blick klingt es paradox: Positiv denkende Menschen haben die besten Möglichkeiten, eine Krise gut zu überstehen. Frei nach dem Motto: „Hope the best and care for the rest.“ Für Sozialforscher Jens Weidner überzeugt vor allem der sogenannte Best-of-Optimist, die Erfolgsvariante des Optimisten. „Denn er verbindet Ehrgeiz, Zukunftsglauben, Machbarkeitsanalysen und Durchsetzungsstärke“, sagt Weidner. Das sind alles Eigenschaften oder Tätigkeiten, die in einer Zeit wie der aktuellen Corona-Pandemie Stabilität vermitteln.

Weidner: „Der Homo Optimisticus lamentiert nicht, sondern professionalisiert seinen Chancen-Blick: Er engagiert sich und setzt seine Ressourcen verantwortungsvoll ein. Er fokussiert sich auf eine hoffnungsvolle Zukunft und schätzt gleichzeitig die Expertise der Nörgelnden.“ Damit seien jene Menschen gemeint, die Controller:in, Compliance-Officer, Leiter:in der Rechtsabteilung oder pessimistische Virolog:innen genannt werden. „Sie sind aber sehr hilfreich, weil sie zu rosarote Träume auf das Realistische und Machbare zurechtstutzen“, betont der Forscher. „Kritiker:innen unter optimistischer Führung sind ein Traum. Umgekehrt wird es aber zur Katastrophe, weil die pessimistische Neigung der Nörgelnden jeden innovativen Gedanken in Zweifeln erstickt.“

„Erfolg ist ein Marathonlauf.“

Prof. Dr. Jens Weidner Sozialwissenschaftler und Optimismusforscher

Laut Weidner zeichnet Best-of-Optimisten auch aus, dass sich ihre maßvolle berufliche Risikobereitschaft mit Konsolidierungs-Phasen abwechselt. „Dann können sie sich erholen, denn sie wissen, dass Erfolg ein Marathonlauf ist und kein 200-Meter-Sprint“, sagt Weidner. „Deutschlands radikalste Zwangspause seiner Geschichte“ ist für den Forscher der richtige Zeitpunkt, sich zu erholen

Doch wie soll das gelingen? Jetzt sei die Zeit gekommen, Kräfte zu sammeln, sich gut zu ernähren, auszuschlafen, sich auch mal zu langweilen und Sport zu treiben. Und von Herbst an könne dann wieder mit voller Kraft Gas gegeben werden. Für Best-of-Optimisten ist das kein Problem, meint Weidner: „Ein optimistischer Zukunftsblick, plus die Konzentration auf das Hoffnungsvolle der Gegenwart charakterisiert sie.“

Vorbildliche Noten für Deutsche

Und wie haben die Deutschen, die ja nicht unbedingt zu den bekanntesten Optimisten zählen, die Corona-Krise aus Forschersicht bis jetzt gemeistert? „Vorbildlich“, sagt Weidner. „Abgestimmt, mit breitem Konsens, diszipliniert. Über Monate. Kein Wunder also, dass derzeit die Disziplin nachlässt, die von einer Mischung aus Normalitätssehnsucht und Verdrängung bei Seite geschoben wird.“ Dieses „Durchschnaufen“ sollte den Menschen zurzeit erlaubt sein, „bevor wir im Frühherbst wieder strengere Maßnahmen einführen, um einen zweiten Shutdown zu verhindern, der unserer Wirtschaft den Garaus machen würde“, betont der Professor.

Aus Weidners Sicht gibt es ein Rezept für jeden Einzelnen, gut durch die Krise zu kommen: Die sogenannte Goretex-Mentalität. „Diese lässt, wie das wetterbeständige Bekleidungsmaterial, alles Unangenehme abperlen.“ Der Optimismus, so haben Neurowissenschaftler festgestellt, schützt dabei unser Gehirn wie eine Art Regenmantel und behütet so das „Irrational Positive Brain“. Zu negative Gedanken prallen da einfach ab. Weidner: „Das ist alles andere als naiv. Das ist Selbstschutz.“