IMA News · 04.09.20

Verwaltungen müssen eine Fehlerkultur entwickeln

Bei der Digitalisierung der Verwaltung sollte der Mensch im Vordergrund stehen. Rosa Thoneick hat klare Vorstellungen über die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung der Verwaltungen.

Rosa Thoneick forscht am CityScienceLab der HafenCity Universität Hamburg. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Digitalisierungsprozesse von Städten. Sie findet: Bei der Digitalisierung von Verwaltungen geht es keineswegs nur um den Einsatz digitaler Tools, sondern um den Kontext, um Menschen, Prozesse und Zusammenarbeit. Diese These wird sie auch am 12. November beim Kongress „Innovatives Management“ in Lübeck vertreten. Vorab nennt sie sieben Voraussetzungen, damit die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung zukünftig besser gelingt.

"Für den Erfolg der Digitalisierung sind eine empathische Kommunikation, hybride Arbeitsmöglichkeiten, gegenseitiges Vertrauen und human centered design besonders wichtig."

Rosa Thoneick Research Associate am ScienceCityLab Hamburg

Sieben Voraussetzungen für die Digitalisierung der Verwaltung

  1. Der Mensch gehört in den Mittelpunkt
    Auch wenn es um Digitalisierung geht: Der Mensch muss bei allem im Fokus stehen. Wir alle sind nicht nur Arbeitskräfte oder Nutzer:innen von Angeboten, sondern Menschen. Daher sind auch für den Erfolg der Digitalisierung eine empathische Kommunikation, hybride Arbeitsmöglichkeiten, gegenseitiges Vertrauen und menschenzentriertes Design besonders wichtig.
  2. Entwicklungsarbeit in kleine Pakete schnüren
    In Digitalisierungsprojekten können Verwaltungen von agilen Organisationen lernen: Da wird die Entwicklungsarbeit in kleine Pakete geschnürt. Statt langwierige Zielvereinbarungen über mehrere Jahre zu schließen, werden Projektschritte für kürzere Zeiträume vereinbart und regelmäßig überprüft. Das gibt Raum zum Experimentieren, aber auch zum Fehlermachen.
  3. Offen und transparent Unzulänglichkeiten kommunizieren
    Verwaltungen müssen eine Fehlerkultur entwickeln. Denn wer Angst hat, Grenzen zu überschreiten, traut sich nicht mehr, sich zu bewegen. Bei Digitalisierungsprojekten wird es immer zu Fehlern kommen, das geht gar nicht anders. Statt so zu tun, als seien Tools oder Prozesse unfehlbar, ist es wichtiger, offen und transparent Unzulänglichkeiten zu dokumentieren, transparent zu kommunizieren, und daraus zu lernen.
  4. Verwaltungswissen aus den Silos herausholen
    Die Digitalisierung der Verwaltung sollte mit interdisziplinären Teams umgesetzt werden. Denn Verwaltungswissen ist oft in Silos aufgeteilt. Das verhindert Bewegung, und Wissenstransfer. Diverse Teams hingegen finden immer wieder neue Ansätze für die komplexen Herausforderungen unserer Zeit. In Digitalisierungsprojekten erlebt man häufiger, dass Daten teilweise parallel erhoben, kaum ausgewertet, und nicht miteinander verknüpft werden. Interdisziplinäre Teams können sich besser austauschen, doppelte Arbeit wird so vermieden, und blinde Flecken entdeckt.
  5. Hybride Arbeitsformen werden kommen
    Kern von Digitalisierung sind daher auch neue Formen der Zusammenarbeit. Dabei geht es aber beispielsweise nicht darum, nur digital zu arbeiten. Präsenz- und Remote-Arbeiten werden künftig in hybriden Formen ineinander übergehen. Zudem gewinnt Ko-Kreation immer mehr an Bedeutung, also das gemeinschaftliche Entwickeln, Erarbeiten und Entscheiden. 
  6. Eigenes Tun immer wieder hinterfragen
    Soll die Digitalisierung gelingen, müssen Abläufe, Prozesse und auch Tools immer wieder hinterfragt werden. Dienen sie wirklich einer Verbesserung und den Menschen, oder digitalisieren wir um der Digitalisierung willen?
  7. Chefs müssen ermöglichend führen
    Digitalisierung verlangt auch nach neuen Konzepten für Führungskräfte. Sie müssen lernen, ermöglichend zu führen. Das heißt: Die Mitarbeiter:innen stärken und zum Handeln befähigen. „Wer A sagt muss auch B sagen“, das ist nicht mehr zeitgemäß. Führungskräfte sollten vielmehr nach der Devise handeln, dass sie ihre Entscheidungen angesichts neuer Informationen neu überdenken. Dafür ist ein starkes Wertesystem unersetzlich. Die Corona-Krise ist dafür das beste Beispiel: In den ersten Wochen haben wir erlebt, wie Politiker:innen und Virolog:innen ihre Einschätzungen wöchentlich hinterfragt und überdacht haben. Diese Art von Leadership mag in manchen Ohren unentschlossen klingen, ist angesichts der wachsenden Komplexität unserer Welt und disruptiver Veränderungsprozesse aber der beste Modus, um Verlässlichkeit herzustellen.